Elektroauto als Stromspeicher: Alles zu bidirektionalem Laden, V2G und V2H
Felix Bahr
Ein Elektroauto also Stromspeicher? Kann ich jetzt meine Küchengeräte über ein Verlängerungskabel also auch am Auto anschließen oder beim Campen einen Fernseher mit Strom versorgen? Ja, genau so ist es tatsächlich! Was oft auf Messen vorgeführt wird, sieht in der Praxis allerdings ein bisschen anders aus. Das E-Auto als Stromspeicher zu nutzen, bedeutet vielmehr, dass die im Fahrzeug zwischengespeicherte Energie auch für andere Zwecke als den Antrieb genutzt wird. E-Fahrzeuge können so beispielsweise die schwankende Öko-Stromproduktion ausgleichen oder im Falle eines Blackouts wieder Strom zur Verfügung stellen. Wir haben mal genauer hingeschaut und verraten nun, wie das genau funktioniert und wie es sich zukünftig entwickeln könnte.
So wird das E-Auto zum Stromspeicher
Damit ein Elektroauto überhaupt aktiv als Stromspeicher oder Powerbank verwendet werden kann, benötigt es eine besondere Art von Ladeelektronik. Dazu gehören bidirektional ladefähige Akkus sowie der richtige Stecker. Bidirektional ladefähige Akkus nehmen Strom zum Antrieb des Fahrzeugs auf und geben diesen nicht nur beim Tritt aufs Gaspedal wieder ab. Sie erlauben es auch, Strom an externe Geräte abzugeben oder weitere E-Fahrzeuge zu laden. Jedes Elektroauto ist also bereits ein Stromspeicher, dazu hat es ja schließlich auch seinen großen Akku. Da die meisten E-Fahrzeuge nur wenige Stunden am Tag in Benutzung sind, können sie die restliche Zeit intelligent ins Stromnetz eingebunden werden und bei Bedarf Energie zurückleiten.
Side Fact:
Wer einen Ökostrom-Tarif besitzt, bekommt nicht immer den grünen Strom, denn Sonne und Wind richten sich nun mal nicht nach unserem Energiebedarf. Mit einem E-Auto kann man aber beispielsweise überschüssige Energie eines besonders sonnigen oder windigen Tages speichern und zu gegebener Zeit wieder nutzen.
Was ist bidirektionales Laden beim E-Auto?
Ist mit einem E-Auto bidirektionales Laden möglich, kann es also sowohl Energie aufnehmen als auch wieder abgeben. Allerdings geht das bislang nur am eigenen Ladepunkt zu Hause. Bidirektionales Laden sorgt beispielsweise dafür, dass man zum Teil sogar unabhängiger von der eigenen Stromproduktion auf dem Dach in Form von Solarzellen oder Windrädern wird. Nein, das E-Auto ersetzt nachhaltige Stromerzeugung nicht, aber es kann überschüssige Energie an sonnenarmen Tagen oder bei Nacht wieder zurück ans Haus (V2H) oder gar das Stromnetz (V2G) geben und so die eigenen Stromkosten senken. Benötigt wird dafür neben dem E-Auto mit entsprechender Batterie auch:
- ein sogenannter CHAdeMO-Ladestecker
- und eine kompatible Wallbox.
Side Fact:
Derzeit wird bidirektionale Laden nur vom CHAdeMO-Protokoll ab Version 1.0 unterstützt. Das ist zwar in Asien der Standard, in der EU hat man mit diesem Stecker aber keinen Spaß. Das hier gängige CSS-Protokoll erlaubt bidirektionales Laden noch nicht. Wer nicht auf ein Update des CSS-Standards warten möchte, verwendet bis dahin einen Adapter Typ2 auf CHAdeMO.
Vehicle-to-home vs. Vehicle-to-grid
Clevere Energiemanagementsysteme koordinieren die Aufnahme bzw. Abgabe von Strom automatisch. Es gibt die folgenden zwei Möglichkeiten, den gespeicherten Strom zu verwenden:
- Vehicle-to-home (V2H)
- Vehicle-to-grid (V2G)
V2H funktioniert in Deutschland folgendermaßen
Vehicle-to-home bedeutet nichts anderes, als Strom vom Fahrzeug zurück an den eigenen Haushalt zu leiten. Das E-Auto wird also nicht nur zum Fahren geladen, sondern auch, um das Haus und die darin befindlichen elektrischen Geräte mitversorgen zu können. Gerade bei Stromausfällen kann es so das Gebäude für einige Zeit mit Notstrom versorgen. Es ist aber auch praktisch, wenn beispielsweise die Photovoltaik-Anlage gerade mehr Strom produziert, als verbraucht werden kann. Der überschüssige Strom wird dann im E-Fahrzeug zwischengespeichert.
Muss für V2H etwas am Hausanschluss passieren?
Wer Mini-Solaranlagen bzw. ein Balkonkraftwerk benutzt, weiß, dass man nicht mehr als 600 Watt einspeisen darf. Bei Photovoltaik-Anlagen auf ganzen Dächern sieht das schon wieder anders aus. Diese erzeugen deutlich mehr Strom und müssen daher von einem Elektriker überprüft und bei der Bundesnetzagentur angemeldet werden. Speist ein E-Auto als Stromspeicher also mehr als 600 Watt ein, muss auch dieser Vorgang der Bundesnetzagentur gemeldet werden.
V2G in der Praxis (noch nicht wirklich möglich)
Vehicle-to-grid ist schon eine Nummer komplizierter, denn dabei kommt das öffentliche Stromnetz ins Spiel. Elektroautos sind über die heimische Wallbox damit verbunden und können als eine Art Schwarmspeicher dienen. Überproduzierter Strom aus beispielsweise erneuerbaren Energien wird aufgefangen und bei temporär steigender Nachfrage wieder zurück ins Netz gespeist. Im Fall eines Stromausfalls können E-Fahrzeuge so das Netz wieder mit Strom versorgen. Dafür könnten E-Mobilisten in Form einer Vergütung profitieren, bis jetzt ist jedoch noch unklar, wie hoch diese ausfallen könnte. Ein Pilotprojekt der Firma The Mobility House berechnete mit einem Nissan Leaf eine mögliche Vergütung von ca. 1.000 Euro jährlich.
Auf lange Sicht können mit dem Netz verbundene Elektrofahrzeuge das Stromnetz stabilisieren und entlasten. Je mehr Fahrzeuge Strom aufnehmen, speichern und bei Bedarf wieder abgeben, desto geringer wird der notwendige Netzausbau.
Tesla Powerwalls: 2344 Stromspeicher ersetzen kurzeitig ein Kraftwerk
Im Juni 2022 testete Tesla erstmals, wie seine Powerwalls als Ersatz für ein Kraftwerk abschneiden. Die Tesla-Batterien haben kurzzeitig das kalifornische Stromnetz unterstützt und Teilnehmende konnten damit sogar noch etwas Geld verdienen.
Das Prinzip war simpel: Powerwall-Besitzer, die bereits Kunde beim Energieanbieter PG&E sind, konnten sich für das Programm anmelden. Tesla benachrichtigte einige von ihnen dann vor Start des Test-Events über die eigene App. Anschließend wurden die vielen dezentralen Akkus aus der Ferne zu einem großen zusammengeschlossen, gesteuert und so eine Art virtuelles Kraftwerk erzeugt. Sobald Strom abgerufen wurde, erhielten Teilnehmende zwei Dollar pro Kilowattstunde. Das Hoch mit 2344 Powerwalls erreichte eine Leistung von 15 Megawatt. Der Test war also ein voller Erfolg und lässt uns neugierig in die Zukunft blicken.
In den USA dienen die Tesla Powerwalls aufgrund des instabilen Stromnetzes als Batterie fürs Haus. In Deutschland sind sie eher eine Seltenheit und werden (wenn überhaupt) nur als Energiespeicher einer großen Solaranlage genutzt. Die Entwicklung rückspeisefähiger E-Auto-Akkus schreitet hingegen auch bei uns stetig voran. Bald gibt es dann immer mehr E-Fahrzeuge, die effizient ins Stromnetz (V2G) eingebunden werden können. Ob die Batterie aber im Haus oder Auto steckt, ist für V2G unterm Strich egal.
Ist mein E-Auto am nächsten Tag leer?
Durch smarte Lösungen wird selbstverständlich nicht der Stromspeicher des Fahrzeugs komplett leergesaugt. Ein Blick auf den durchschnittlichen Stromverbrauch gibt Aufschluss:
- Zwei-Personen-Haushalt verbraucht täglich ca. 5,5 kWh
- Drei-Personen-Haushalt verbraucht täglich um die 5,8 kWh
Vergleicht man diese Werte mit der Kapazität eines E-Auto-Akkus, können selbst kleine Fahrzeuge mit entsprechend kleineren Akkus den Haushalt für mehrere Tage mit Strom versorgen. Die Angst, dass man aufgrund eines leeren Akkus am Montagmorgen nicht mehr zur Arbeit fahren könnte, ist unbegründet. Zudem geben die meisten Systemen die Sicherheit eines Restladezustands.
Welches E-Auto kann bidirektionales Laden in Europa?
Aktuell stammen die meisten bidirektional ladefähigen E-Fahrzeuge aus Asien. Dort wird standardmäßig der dafür benötigte CHAdeMO Ladestecker verwendet. Diese Fahrzeuge haben in der EU meist einen Typ2/ CSS-Ladeport und kommen mit einem passenden Adapter. Auf dem europäischen Markt sind bislang nur wenige rückspeisefähige Modelle verfügbar. Dazu zählen unter anderem:
- Nissan Leaf
- Nissan e-NV200
- Hyundai Ioniq 5
- Mitsubishi Outlander
- KIA EV 6
- Honda E (CSS-Modell)
Auch die Modelle Outlander PHEV und Eclipse Cross PHEV von Mitsubishi sind rückspeisefähig. Da es sich bei den Fahrzeugen jedoch um Plug-in-Hybride handelt, haben sie eine relativ kleine Batterie mit entsprechend geringer Speicherkapazität. Volkswagen gab bekannt, dass bald alle ID-Modelle bidirektionales Laden ermöglichen. Tesla bietet diese Möglichkeit der Energierückführung aktuell noch nicht an.
Fazit zum E-Auto als Stromspeicher
Elektrofahrzeuge sind per Technik im übertragenen Sinn sowieso schon Stromspeicher. Dahinter steckt aber weitaus mehr, denn das E-Auto kann auch den Laptop unterwegs oder das eigene Zuhause mit Strom versorgen. Auch kann überschüssige Energie ans Stromnetz zurückgeben und damit noch Geld verdient werden. Im Falle eines Blackouts können die Akkus vieler E-Fahrzeuge zusammen sogar schon mal ein ganzes Kraftwerk ersetzen. Wie nutzen Sie Ihr E-Auto als Stromspeicher?