E-Auto-Mythen: Ist der Umstieg doch nicht so schlau? Teil 2/2
Felix Bahr
Dieses Mal geht es um Elektroauto-Mythen rund um Komponenten, Stromnetz & Co. Hält das deutsche Stromnetz dem E-Auto Boom wirklich nicht stand? Und sorgen E-Fahrzeuge für mehr Unfälle im Straßenverkehr? Jetzt heißt es noch einmal anschnallen bitte, wenn wir die nächsten Fake News aufdecken.
Einige der größten E-Auto Mythen haben wir bereits im ersten Teil unseres Mythbusters erfolgreich widerlegen können. Zum Beispiel dauert das Laden von E-Fahrzeugen gar nicht so lange, wie manche glauben und das Aufladen bei Regen ist unbedenklich. Verpasst? Dann gern einen Blick in unseren ersten Beitrag zum Thema E-Auto Mythen werfen.
Schlechte Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge
Dass es zu wenig Ladestationen gibt, ist längst nicht mehr aktuell. Die Anzahl öffentlicher Ladesäulen für E-Fahrzeuge wächst rasant. Momentan sind es in Deutschland knapp 29.900 Stationen mit insgesamt über 65.000 Ladepunkten – Tendenz steigend. Der Ausbau nimmt richtig Form an, denn innerhalb des letzten Jahres kamen mehr als 4.000 Ladesäulen hinzu. Supermärkte, Hotels, Parkhäuser und sogar Restaurants errichten bereits Ladesäulen für ihre Kunden. So schaffen sie Anreize für Besucher und machen gleichzeitig den Standort attraktiv. Auch viele Unternehmen ergreifen die Initiative und bauen eigene Ladepunkte. Davon profitieren Mitarbeiter, die ihre privaten E-Autos bequem am Arbeitsplatz laden.
Übrigens: Ein Elektrofahrzeug kann auch an jeder professionell installierten Haushaltssteckdose geladen werden. Zwar nur mit geringerer Leistung, aber DC-Laden ist auch an der Wallbox nicht möglich. Besonders interessant: 70 Prozent aller Ladevorgänge finden zu Hause oder am Arbeitsplatz statt. Dadurch muss unterwegs nur in seltenen Fällen Strom getankt werden. Einen genauen und aktuellen Überblick aller Ladesäulen in Deutschland bietet die Ladesäulenkarte der Bundesnetzagentur.
Zu viele Ladekarten für E-Autos
Je mehr E-Fahrzeuge auf den Straßen sind, desto mehr Ladesäulen werden gebraucht. Klar, dass sich deshalb zunehmend mehr Anbieter von Ladeinfrastruktur am Markt tummeln. Fakt ist auch: Jeder Anbieter wirbt mit einer eigene Ladekarte und/oder Lade-App. Ohne die gibt es an der entsprechenden Ladesäule keinen Strom. Die Ladekarte dient dazu, sich bei der Ladestation zu verifizieren und anschließend zu bezahlen. Wer jetzt glaubt, man benötigt einen ganzen Stapel Karten, um auf der sicheren Seite zu sein, den können wir beruhigen. In der Praxis kommen E-Mobilisten locker mit zwei bis drei Anbietern aus.
Ausführliche Einblicke in diese Thematik finden Sie in unserem Beitrag zum Thema Ladekarten-Vergleich.
Und was das Thema Ladestecker angeht: Niemand braucht ein Sammelsurium von Adaptern im Kofferraum. In Europa ist mittlerweile der Typ-2-Stecker die einheitliche erste Wahl, an so gut wie jeder Ladestation vorhanden und mit allen E-Fahrzeugen kompatibel.
Stromnetz überlastet durch E-Autos
Der anhaltende Boom der E-Autos lässt viele Menschen in dem Glauben, dass das Stromnetz dem parallel steigenden Ladebedarf nicht gewachsen sei. Laut dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) kann die Stromversorgung dem Anstieg jedoch locker standhalten. Sollten alle aktuell rund 45 Mio. Pkw auf deutschen Straßen elektrisch fahren, bräuchte man zum Laden insgesamt gut 100 Terawattstunden (TWh) im Jahr. Klingt erst mal viel, ist es aber tatsächlich gar nicht. Es entspricht nur einem Sechstel dessen, was Deutschland aktuell pro Jahr an Strom verbraucht. Bereits 2019 wurden 244 TWh Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt. Das würde aktuell mehr als den doppelten Ladebedarf decken. Der Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung schreitet übrigens rasch voran:
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland
Entscheidend für die Netzstabilität ist viel mehr, wie die Lasten letztlich verteilt werden. Die meisten E-Fahrzeuge laden zu bestimmten Stoßzeiten, beispielsweise über Nacht. Eine große Masse an Ladevorgängen zur gleichen Zeit könnte so eher zum Problem werden. Aber auch dafür gibt es clevere Lösungen. Sogenannte Smart-Grids (intelligente Stromnetze) gleichen etwaige Leistungsschwankungen aus. Dadurch werden Stromerzeuger, Stromspeicher und Stromverbraucher miteinander vernetzt und gesteuert, sodass die Energieversorgung sichergestellt ist. Elektroautos, die über eine Wallbox mit dem Stromnetz verbunden sind, können dann nicht nur laden, sondern auch Strom aus dem Akku zurück ans Netz geben. E-Autos als Stromspeicher sind bereits auf verschiedenen Wegen im Einsatz. Stichwort bidirektionales Laden – diese Funktion von Stromern kann der Netzstabilität enorm unter die Arme greifen.
Umweltsünder E-Auto
Die Akku-Herstellung für E-Fahrzeuge, aber auch für Handys und Laptops ist mit Sicherheit optimierungsbedürftig. Gerade bei E-Auto-Akkus steht die angeblich schlechte Ökobilanz der Produktion spätestens seit der 2017 veröffentlichten „Schweden-Studie“ des Umweltforschungsinstituts IVL im Rampenlicht. Dort hieß es, dass bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien im Schnitt 150 bis 200 Kilogramm CO2 pro Kilowattstunde produzierter Batteriekapazität freigesetzt werden. Das macht schon 17 Tonnen CO2 für die Batterie eines E-Autos. Schnell wurde Experten jedoch stutzig und es stellte sich heraus: Diese Zahlen waren fehlerhaft! Nach einer Korrektur des Berichts im Jahr 2019 liegen die Werte nur noch zwischen 61 und 106 Kilogramm CO2-Äquivalent pro produzierter Batteriekapazität.
Mittlerweile hat sich jedoch gezeigt, dass auch dieses Ergebnis so nicht ganz stimmt und man die Ökobilanz von Lithium-Ionen-Batterien nicht über einen Kamm scheren kann. Für die genaue Berechnung der CO2-Emissionen einer E-Auto-Batterie müssen demnach viele Produktionsschritte berücksichtigt werden. Diverse Studien kommen zu einem unterschiedlichen Fazit: So reichen die tatsächlichen Ergebnisse insgesamt (je nach Batteriekapazität) von 4,5 t bis hin zu 13 t. Wirklich entscheidend bei der Herstellung sind verwendeter Strommix und Rohmaterialien. Zukünftig wird der deutsche Strommix immer grüner. Durch technologische Fortschritte und Recycling kann ebenfalls die Verwendung von seltenen Rohstoffen und anderen begrenzten Ressourcen minimiert werden. Langfristig wird so die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien nur noch umweltschonender.
Zusammensetzung der Treibhausgas-Emissionen
Leise E-Autos gefährlich für Fußgänger
Ja, vor vielen Jahren gingen die ersten E-Autos im Straßenverkehr in puncto Lautstärke wirklich regelrecht unter. Sie sind teilweise sogar so leise gewesen, dass man meinen könnte, dadurch entstehe ein größeres Unfallpotenzial. Falsch gedacht! E-Fahrzeuge sind nur bei geringen Geschwindigkeiten leiser als Verbrenner. Sobald sie beschleunigen, ist auch hier ein energetisches Summen zu vernehmen. Um die Gefahr bei niedrigen Geschwindigkeiten zu entschärfen, müssen Stromer seit 2019 EU-weit künstlich erzeugte Motorengeräusche verlauten lassen. Zusätzlich ist es mittlerweile schon normal, dass in fast jedem Neuwagen moderne Assistenzsysteme integriert sind – unabhängig von der Antriebsform. Diese machen den Fahrer oder die Fahrerin auf mögliche Gefahrensituationen aufmerksam und beugen so Unfälle vor.
Augen auf im Straßenverkehr! Statistisch gesehen werden mehr Passanten angefahren, die vor dem Überqueren der Straße nicht nach links und rechts geschaut haben – logisch.