Emobility: Mission Reichweitenangst
Christian Wegerhoff
Unser Bestreben ist es, beim Wechsel in die Elektromobilität zu informieren und Fragen zu beantworten. Um immer noch vorhandene Vorurteile und Mythen aufzuklären, schicken wir Horst auf "Mission emobility".
Horst, 53 Jahre aus Berlin ist seit wenigen Wochen Tesla-Fahrer. Er wird sein Tesla Model 3 bis zur Reserve des Akkus fahren und es dann an einem Hyper Charger aufladen. Mit einem Elektroauto ein alltägliches Szenario, das dem Unerfahrenen jedoch schnell den Reichweitenangstschweiß auf die Stirn treiben kann.
Die Mission
Guten Morgen, Horst. Deine Mission, für den Fall dass du sie annimmst:
Reichweite bei 140 km/h
Lade deinen Wagen auf 100% und lasse den Akku vorheizen. Fahre auf die Autobahn A9 in Richtung Nürnberg. Fahre entsprechend der Geschwindigkeitsbegrenzungen, maximal jedoch 140 km/h. Verwende Heizung und alle Systeme normal. Fahre immer weiter bis zu einer Restreichweite von 20 km, oder 3% Akku.
Tesla Supercharger vs. Hyper Charger
Fahre eine Schnellladestation an. Bevorzuge Tesla Supercharger. Lade das Auto auf soviel du möchtest. Fahre die A9 zurück in Richtung Berlin. Auf Höhe von Leipzig suche dir einen Hyper Charger, also nicht Tesla. Lade das Auto auf mindestens 75%.
Reichweite bei 200 km/h
Fahre die A9 in Richtung Berlin mit 180-220 km/h. Fahre immer weiter, bis du Reichweitenangst bekommst. Reduziere die Geschwindigkeit auf 80-120 km/h je nach Reichweitenangst. Fahre eine Schnellladestation an. Lade das Auto auf soviel du möchtest und fahre die A9 zurück nach Berlin.
Viel Erfolg!
Das Erlebnis
Hallo Horst. Du hast die Mission Reichweitenangst absolviert. Wie war das Erlebnis?
Spannend war es, eine neue Erfahrung. Mein letztes Auto war ein Diesel. Da hatte ich eine sehr gute Reichweite, bis zu 1.000 Kilometer, und habe selten geguckt wieviel im Tank ist. Ja, es war eine neue Erfahrung.
"Auf eine deutlich einstellige Prozentzahl der Akku runterzufahren, das machte mir Angst, weil ich damit keine Erfahrung hatte. Ja, ich hatte Reichweitenangst .“
Hattest du Reichweitenangst?
Auf jeden Fall! Ich bin ein Sicherheitsmensch: In meinen 30 Jahren als Autofahrer habe ich vielleicht drei oder vier mal die Tankreserve gesehen. Mit meinem Verbrenner bin ich nie gefahren bis die Anzeige leuchtet, sondern bin immer vorher an die Tankstelle.
In der Mission ging es ja genau darum: Auf eine deutlich einstellige Prozentzahl der Akku runterzufahren. Das machte mir Angst, weil ich damit keine Erfahrung hatte. Ich gehe lieber auf Sicherheit und wäre zweistellig geblieben.
Ja, ich hatte auf alle Fälle Reichweitenangst.
Reichweite des Tesla Model 3
Mit wieviel Prozent oder Restreichweite bist du an der Ladestation angekommen?
Mit 7% und 31 Kilometern. Das war für mich eine echte Herausforderung.
Hast du dich auf die Fahrt besonders vorbereitet?
Ich habe mir Checklisten gemacht. Ich habe mir verschiedene Apps runtergeladen, um Ladestationen zu suchen. Und ich habe mir die Strecke vorher auch auf der Karte angeguckt, um eine grobe Vorstellung zu haben, wo ich lang fahren werde. Und ich habe in Charge My Way die Abstände zwischen den Ladestationen gecheckt.
"Die Reichweite meines Standard Tesla Model 3 bei konstant 140 km/h waren 321 km."
Wie weit bist du mit dem Tesla Model 3 bei 140 km/h gekommen?
Mit 140 km/h konstant ab Berlin mit vollem Akku bin ich bis zum Hermsdorfer Kreuz gekommen. Das sind 280 Kilometer.
Zurück mit mit 180-220 km/h mit 75% Akkuladung habe ich 140 Kilometer geschafft. Es war sehr interssant zu sehen, wie der Akku leer gesaugt wird. So schnell zu fahren macht mit einem Elektroauto keinen Sinn, weil du dann viel früher wieder lädst. Das habt ihr ja auch in eurem Artikel über die optimale Geschwindigkeit mit einem Elektroauto schön beschrieben.
Gab es einen Unterschied zwischen 140 km/h und 200 km/h?
Oh ja! Bei 200 km/h wird der Akku leergesaugt. Beim Verbrenner hätte ich gesagt, der hat einen Strudel im Tank. So schnell zu fahren ist auch anstrengend. Das macht 20 Kilometer Spaß, aber über eine weite Strecke ist es dann Stress.
Reichweitenangst und Ladesäulen
Wie hast du die Ladesäulen für das Tesla Model 3 gefunden?
Auf der Hinfahrt ganz einfach über das Tesla-Navi. Das Auto hat mir zuverlässig den passenden Supercharger vorgeschlagen. Es war der Supercharger Hermsdorf. So würde ich das auch zukünftig machen.
Wie viele Ladesäulen gab es dort und wie viele waren frei?
Viele! Ich habe sie nicht gezählt, denn es ware so viele frei. Aber ich habe nachgeschaut: Es sind zwölf Ladesäulen. Bei der Menge an Ladesäulen war meine Reichweitenagst auch sofort verflogen. Es ist ja auch eher die Angst nicht rechtzeitig an eine Ladestation gelangen.
"Ich habe in meiner kurzen Tesla-Karriere auch noch nie erlebt, dass die Supercharger voll waren. Es waren immer genug Plätze frei.“
Und es waren so viele frei. Ein Tesla mit Anhänger konnte sich quer vor vier Säulen stellen, um nicht abkuppeln zu müssen. Außer mir waren drei Tesla dort zum Laden. Ich habe in meiner kurzen Tesla-Karriere auch noch nie erlebt, dass die Supercharger voll waren. Es waren immer genug Plätze frei.
Tesla Supercharger: Laden & Bezahlen
Was musstest du am Tesla Supercharger tun, um zu laden?
Rückwärts ranfahren. Einstecken. Weiter nichts.
Wie in eurem Artikel "Tesla Model 3 richtig aufladen" beschrieben: Ranfahren, Laden. Super entspannt. Du setzt dich ins Auto und schaust zu. Die verbleibende Zeit wird dir dabei auf dem Touchscreen angezeigt.
Was hast du während des Aufladens gemacht, war die Reichweitenangst noch präsent?
Ich habe ein wenig Protokoll der Mission geschrieben. Ich habe auf dem Touchscreen im Tesla eine neue Staffel meiner Lieblingsserie auf Netflix angefangen. Kurz war ich in der Tankstelle, habe mir eine Bockwurst gegönnt und war auf der Toilette. Dann wollte das Auto auch schon weiter.
"Das ist ja das Schöne bei Tesla: Du fährst ran, und das ist alles. Kein Stress, kein Hassle."
Du solltest bis 75% laden. Wie lange hat das gedauert?
Das Aufladen hat etwa 30 Minuten gedauert.
Wie hast du bezahlt?
Beim Tesla Supercharger? Gar nicht! – Das ist ja das Schöne bei Tesla: Du fährst ran, und das ist alles. Kein Stress, kein Hassle. Es wird automatisch vom Konto abgebucht.
Tesla laden am Hyper Charger
Auf der Rückfahrt solltest du einen nicht Tesla Charger anfahren. Wie hast du den gefunden?
Über meine Apps. Ich war wirklich aufgeregt vor Reichweitenangst und habe schon beim Aufladen in Hermsdorf nach Ladesäulen für die Rückfahrt gesucht. Ich wusste ja, dass der Teil der Mission mit Tesla Supercharger einfach wird. Die findet das Auto selbst. Da fahr ich ran, und mit den Tesla Ladesäulen brauche ich mir keinen Kopf machen.
Aber für die anderen Ladesäulen…?! Dazu habe ich mir Apps gesucht.
Meine Mission war ein Hyper Charger, also ab 150 kW. Also habe ich mir mit der App eine 300 kW Säule rausgesucht. Am hilfreichsten war hier die App Charge My Way, die dir alle Ladestationen auf der Strecke anzeigt. Die Adresse habe ich manuell in das Tesla Navi übertragen. Später habe ich gesehen, Charge My Way hätte sie auch direkt an mein Azuto geschickt. Und dann bin ich los, habe mich vom Navi leiten lassen. Der Tesla hat erkannt, dass ich da laden möchte und hat den Akku für das Schnellladen vorgewärmt.
Ich bin ja schon gewohnt, dass Ladesäulen oft abseits der Straße an Orten sind, wo du ankommst und denkst: Nee, hier gibt es doch keine Ladesäulen. Aber sie sind dort. An der Adresse aus der App war aber nur ein großes Gebäude, das Paunsdorf Center, ein Center um das ich mehrmals herumgefahren bin. Ladesäulen habe ich dort aber nicht gefunden. Aber die müssen da irgendwo im Gebäude sein.
Das war mein erster Versuch. Erfolglos. Genervt habe ich mir den nächsten Ort zum Laden herausgesucht. Reichweitenangst hatte ich hier nicht, denn ich hatte noch 43% im Akku. Ich bin an die neue Adresse gefahren. Den gut beleuchteten Hyper Charger habe ich gleich gefunden.
Was musstest du am Hyper Charger machen, um Aufzuladen?
Ich bin rückwärts rangefahren, wie ich das vom Tesla Supercharger kenne. Und dann ging das Rätselraten los. Es war kalt. Ich war schon ein bisschen müde und genervt vom vergeblichen ersten Versuch. Und jetzt musste ich erstmal herausfinden wie das hier funktioniert. Es ging schon damit los, den CCS-Stecker herauszubekommen. Der schien verriegelt zu sein. Dann der Bildschirm: Unten drei Knöpfe, die ich gedrückt habe. Nichts ist passiert. Nur ein WLAN-Symbol hat geblinkt.
"Frierend, nachts im Dunkeln hatte ich nicht die Muße, mir das alles durchzulesen, zumal auf einer Seite die am Handy nicht funktioniert."
Dann habe ich den QR-Code gescannt, in der Erwartung meine App würde mit der Ladesäule kommunizieren und den Ladevorgang starten. Statt dessen wurde ich auf eine Webseite geleitet, die auf dem Smartphone nicht richtig zu lesen war. Ich konnte erkennen, dass das wohl die Anleitung für die Säule war. Aber frierend, nachts im Dunkeln hatte ich nicht die Muße, mir das alles durchzulesen, zumal auf einer Seite die am Handy nicht funktioniert.
Ich es habe dann an den anderen Säulen probiert. Und irgendwann bin ich auf die Idee gekommen, fester am Ladestecker zu ziehe. Und siehe da: Er ging aus der Säule raus, und ich konnte ihn in meinen Tesla stecken. Ich dachte, jetzt muss es losgehen! Aber nichts ist passiert.
Ich habe weiter an allen Säulen probiert. Dann habe ich gesehen, am Kartenleser stand bei allen Säulen "Außer Betrieb". Irgendwann bekam ich auch mal eine Fehlermeldung am Handy. Alle fünf Säulen haben nicht funktioniert. Ich war sehr frustriert. Jetzt musste ich also nochmal zum nächsten Hyper Charger. Der dritte Versuch!
Ich habe auf dem Touchscreen im Tesla nachgeschaut und dort gesehen, direkt gegenüber bei der Aral Tankstelle, da steht auch einer. Ich bin also rüber gefahren, und da stand wirklich eine Aral Ladesäule. Ich bin wieder rückwärts rangefahren. Und wusste ja schon: An dem Stecker muss man richtig kräftig ziehen. Habe also mutig dran gezogen und das echt schwere Kabel in meinen Tesla gesteckt
"Die Taste 3 auf der Tastatur hat nicht funktioniert. Mein PIN-Code enthält eine 3. Alle Tasten gingen, aber nicht die 3".
Ich hatte mich ganz nach links gestellt, weil ich nicht in der Mitte stehen wollte. Aber das war ein Fehler: Die Säule hat erkannt, dass ich laden wollte. Ich habe meine Kreditkarte an den Kartenleser gehalten und sollte meine PIN eingeben. Und das war die Hürde: Denn die Taste "3" auf der Tastatur hat nicht funktioniert. Mein PIN-Code enthält ein "3". Alle Tasten gingen, aber nicht die "3".
Ich dachte: Das kann doch nicht wahr sein! – Aber ich wollte meine Mission erfüllen und an einem Hyper Charger laden. Die Kür mit einer App zu bezahlen, die hatte ich da schon aufgegeben. Ich habe umgeparkt an die mittlere Säule. Und siehe da, die "3" hat funktioniert. Doch jetzt sah ich die Anzeige: 0,79 €/kWh! Das war mir definitiv zu teuer. Ich habe für 3,60€ geladen, um meine Mission zu erfüllen. Nach drei Minuten habe ich abgebrochen.
Dann habe ich noch ewig gesucht, wie ich für die Buchhaltung eine Quittung bekomme. Doch der Betrag wurde mit nur am Bildschirm angezeigt. Davon habe ich dann ein Foto gemacht.
Jetzt hatte ich die Schnauze voll. Ich habe mich ins Auto gesetzt und mich vom Navi zum nächsten Tesla Supercharger leiten lassen. Das war der Tesla Supercharger Leipzig Flughafen. Ich habe mich hingestellt und habe aufgeladen. Dann bin ich zurück nach Berlin.
Wie viel Zeit hast du mit den Versuchen am Hyper Charger verbracht?
Zusammen mehr als eine Stunde: Den ersten Hyper Charger habe ich nicht gefunden. Beim zweiten hat es lange gedauert bis ich aufgegeben habe. Und beim dritten musste ich die Ladesäule wechseln.
Reichweitenangst: Schnellfahren macht den Akku leer
Der nächste Teil deiner Mission: Fahre 180-220 km/h bis du Reichweitenangst bekommst. Wie weit bist du gekommen?
Ich habe am Supercharger Leipzig bis 75% geladen und bin losgefahren. Das Navi hat angezeigt, dass ich Berlin ohne Aufladen mit 4% erreichen werden. Ich bin gefahren wir ein junger Gott. Das hat Spaß gemacht, war aber anstrengend. Nur so für mein Ego: Ich wurde nur einmal überholt. Das Tesla Navi hat Warnungen angezeigt, ich solle unter 140 km/h fahren, um das Ziel ohne Laden zu erreichen. Das habe ich ignoriert.
Nach eine Weile hat das Navi auf den Supercharger Beelitz gewechselt, mit Ankunft mit 24%. Den habe ich auch genommen, denn ich habe befürchtet, dass ich den nächsten Supercharger nach Beelitz dann wohl nicht mehr erreichen werde. Das war meine Reichweitenangst. Von dort aus bin ich problemlos nach Hause gekommen. Bei der Ankunft hatte ich noch 28%
Nach dieser Reichweitenangst: Kannst du dir vorstellen, mit deinem Auto 1.000 Kilometer bis nach Italien zu fahren?
Wenn auf der Strecke alle 50 km Tesla Supercharger sind, dann ist das kein Problem. Mit andern Ladestationen brauchst du ein dickes Fell. Aber mit Tesla Supercharger kann ich mir das vorstellen. Ich müsste vielleicht vier oder fünf mal laden. Das würde sehr entschleunigen.
Die letzte obligatorische Frage: Auch dein nächstes Auto bleibt elektrisch?
Da ich meistens Kurz- oder Mittelstrecke fahre, wahrscheinlich schon. Für die Langstrecke müsste ich mir das nochmal überlegen. Aber bis dahin wird es wahrscheinlich eh keine Verbrenner mehr geben.
Horst, vielen Dank für deine Mission.
Das Auto der Mission
Tesla Model 3 |
|
Antrieb: | Hinterradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 225 km/h |
Beschleunigung 0-100 km/h | 6,1 s |
Reichweite WLPT | 491 km |
Reichweite real | 300 km |
Neupreis | 41.990 € |
Lieferzeit | 4 Wochen |