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    Was erhöht die Reichweite eines Elektrofahrzeugs?

    Was erhöht die Reichweite eines Elektrofahrzeugs

    Inhalt

    Die kurze Antwort: Gar nichts.

    Die lange Antwort: Die Frage stellt sich in der Form nicht, denn ein Elektroauto lädt man nicht auf wie ein Smartphone: Man fährt es nicht leer und lädt es dann auf, sondern lädt es immer dann, wenn es sich gerade anbietet. Die meisten Elektroautos haben eine reale Reichweite von 250 – 400 km (bei 600 km Reichweite WLTP). Im Stadtverkehr ist das Aufladen etwa einmal in der Woche erforderlich. In dieser Woche bietet sich immer eine Gelegenheit zum Laden. Wie klären daher auf, was die Reichweite eine Elektrofahrzeugs erhöht.

    Auf der Langstrecke wird man das Elektroauto dort aufladen, wo man auch gerne eine Pause machen möchte. Entlang der deutschen Autobahnen gibt es Schnellladestationen inzwischen etwa alle 20 km, so dass die Auswahl groß ist. Irgendwo bei einer Restreichweite zwischen 70 km und 20 km (entsprechend der Reserve beim Verbrenner) wählt man den bevorzugten Ort für die Ladepause. Wenn man nun – entsprechend der vielfältigen Tipps im Internet – die letzten 5% Reichweite herauskitzelt, wählt man am Ende doch die selbe Ladestation und kommt dort hat mit 20 Kilometer Restreichweite an, lädt eine Minute kürzer und ist dafür die gesamte Strecke ohne Heizung und Musik gefahren. Weiter gekommen ist man nicht.

    Das erhöht die Reichweite eines E-Autos

    Was erhöht die Reichweite eines Elektrofahrzeugs?
    Normale Reich­weite auf der Auto­bahn:
    Mit 100% Akku bei 150 km/h 300 km
       
    Energie sparen:
    Keine Heizung/Klima­anlage + 20 km
    Keine Musik hören + 2 km
    Akku vorwärmen + 6 km

     

     
    Reichweitenkiller:
    21" Sport-Felgen - 30 km
    Rekuperation ausschalten - 60 km
    Hohe Geschwin­digkeit 220 km/h - 100 km
    Übersicht der Einfluss­faktoren auf die Reichweite, ungefähre Angaben

    Wenn man in angemessener Zeit weite Strecken zurücklegen, also wenig laden und weit kommen möchte, ist es ratsam, die Energie nicht schneller als nötig zu verbrauchen. Die Frage lautet also nicht, was erhöht die Reichweite eines Elektroautos, sondern wie geht man mit der möglichen Reichweite vorausschauend um. Hier gelten im Wesentlichen die gleichen Energiespartipps wie beim Verbrenner:

    Angemessene Geschwindigkeit

    Autos benötigen für die doppelte Geschwindigkeit ungefähr die dreifache Energie, egal ob mit Strom oder Benzin. Wer weiter kommen will, sollte daher mit der wirtschaftlichsten Reisegeschwindigkeit seines Autos fahren. Diese liegt je nach Automodell zwischen 120 und 150 km/h (siehe auch unser Artikel Optimale Geschwindigkeit auf der Autobahn mit dem Elektroauto). Die Geschwindigkeit hat die größte Auswirkung auf die Reichweite. Fährt man sehr viel schneller, muss man deutlich früher wieder laden.

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    Abbildung des Energieverbrauchs eines Tesla Model S

    Die Verbrauchsanzeige eines Tesla Model S zeigt den überproportionalen Energieverbrauch bei hoher Geschwindigkeit: Bei 220 km/h steigt die orange Linie außerhalb der Skala auf das 3,5-fache zu einem Verbrauch von 650 Wh/km. Typisch sind ca. 180 Wh/km

    Restreichweite im Notfall verlängern

    Befürchtet man, es nicht mehr bis zur nächsten Ladestation zu schaffen, ist die Geschwindigkeit der rettende Faktor. Mit niedrigen Geschwindigkeiten kann man die Restreichweite doch noch deutlich erhöhen. Bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h oder sogar nur 60 km/h kann man aus 30 km Restreichweite nochmal 40 km oder 50 km machen.

    Elektroautos und Rekuperation

    Eine der wichtigsten und effizientesten Funktionen von Elektroautos ist das Zurückgewinnen der Energie beim Abbremsen des Fahrzeuges, das Rekuperieren. Wo Verbrenner die Bremsen benutzen, und die kinetische Energie des beschleunigten Fahrzeuges an heißen Bremsscheiben in Wärme umgewandelt wird, verwenden E-Autos den Motor als Dynamo um zum Abbremsen des Fahrzeuges oder Kontrollieren der Geschwindigkeit beim Bergabfahren die kinetische und potentielle Energie zurück in elektrische Energie zu verwandeln. Damit werden etwa 75% der beim Beschleunigen oder Bergauffahren benötigen Energie zurück in den Akku gewonnen. So als würde die Motorbremse des Verbrenners beim Bergabfahren Benzin produzieren.

    Rekuperieren Energieanzeige
    Die Energieanzeige des Tesla Model S zeigt in den grünen Bereichen eindrucksvoll die Rückgewinnung der Energie beim Abbremsen des Fahrzeuges mittels Rekuperation

    Das Rekuperieren bestimmt auch das Fahrverhalten eines Elektroautos: Sobald man vom Strompedal geht, verzögert das Fahrzeug. Die Bremse braucht man nur noch zum starken Abbremsen in Gefahrensituationen. Da dieses Verhalten von bisherigen Verbrennerfahrern als ungewohnt empfunden wird, kann man das Rekuperieren in vielen E-Autos deaktivieren. Die Energie-Rückgewinnung abzuschalten ist allerdings ein wahrer Reichweiten-Killer.

    Große Felgen beim E-Auto

    Je weiter außen das Gewicht einer rotierenden Masse liegt, desto mehr Energie wird benötigt, um sie zu drehen. Zur Trägheit der Masse des Fahrzeuges kommt das Trägheitsmoment der Räder, von denen ein Auto auch noch gleich vier Stück hat. Felgen sind in diesem Sinne rotierende Massen, und das Gewicht von großen Felgen liegt weit außen. Den sportlichen Look von 21" Felgen bezahlt man mit etwa 30 km weniger realer Reichweite.

    Akku vorheizen

    Um die volle Leistung zu erbringen, muss die Lithium-Ionen-Batterie eines Elektroautos eine Temperatur von 15°C bis 30°C haben. Bei kalter Witterung heizt ein Elektroauto zu Beginn der Fahrt die Batterie für etwa fünf bis zehn Minuten mit einer Leistung von 6 kW auf. Das ist so viel wie fünf Haartrockner oder zwei Backöfen. Für das Aufheizen werden bis zu 1 kWh, also bis zu 2% der Batteriekapazität benötigt, was eine reale Reichweite von bis zu 6 km weniger bedeuten kann.

    Das ist auch der Grund, warum bei kalten Temperaturen im kleinen Stadtverkehr die Batterie so schnell leer wird: Viele sehr kurze Strecken, zu deren Beginn der Akku jedes Mal mit hoher Leistung aufgeheizt wird. Dies führt in den ersten Minuten zu einem Verbrauch von etwa 1.000 Wh/km, dem Fünffachen des Normalen.

    Vor einer Langstrecke ist es daher sinnvoll, die Batterie vorheizen zu lassen, solange das Auto noch an der Ladestation hängt. Wenn auch die Einsparung am Ende nur bedeutet, dass man mit 6 km mehr im Akku an genau der Schnellladestation ankommt, an der man sowieso Pause machen wollte.

     

    Die Verbrauchsanzeige im Tesla Model S zeigt den Verbrauch von ca. 1.000 wH/km auf dem ersten Kilometer durch die Batterieheizung nach dem Losfahren bei 5°C Außentemperatur

    Side Fact

    In vielen Facebook Gruppen finden sich Beschwerden entrüsteter Elektroautofahrer, die ihr Fahrzeug aus der Werkstatt abholen, eine Verbrauchsanzeige wie oben abgebildet sehen und der festen Überzeugung sind, das Werkstattpersonal hätte mit ihrem Auto eine heiße Spritztour hingelegt. Grund für den hohen Verbrauch der vermeintlichen Vollstromfahrt ist jedoch meist nur die Batterieheizung.

    Heizung und Klimaanlage

    Heizung und Klimaanlage in Elektroautos haben zwar einen hohen Energiebedarf von 2 kW bis 5 kW. Allerdings ist der Innenraum eines Autos auch so klein, dass sie nur sehr kurze Zeit mit dieser Leistung laufen. Der mittlere Energiebedarf von Heizung und Klimaanlage liegt bei etwa 1,5 kW. Das entspricht auf der Langstrecke bei einer maximalen Fahrzeit von 3 Stunden bis zur nächste Schnellladestation einer Energie von 4,5 kWh. Mit dieser Energie käme ein Elektroauto etwa 20 km weit. Der Mehrbedarf der Heizung selbst bei wohligen Temperaturen liegt also immer noch im Bereich der Restreichweite, mit der man ohnehin die Schnellladestation angefahren hätte. Das Aufladen der 4,5 kWh für die Heizung dauert dort etwa zwei Minuten. Wer im Elektroauto die Heizung ausgeschaltet lässt, kommt also nicht weiter, sondern friert.

    Side Fact

    Ein oft kolportierter Mythos sind die im Winter wegen der Heizung mit leerem Akku im Stau liegenbleibenden Elektroautos. Ein Phänomen, das von Verbrennern wohl bekannt ist, wo der Motor für die Heizung laufen muss. Bei Elektroautos ist jedoch das Gegenteil der Fall: Der Motor steht und benötigt keinen Strom. Ein Elektroauto mit einer mittelgroßen Batterie von 75 kWh kann problemlos 24 Stunden mit laufender Heizung im Stau stehen, selbst wenn die Batterie zu Anfang nur noch halb geladen war.

    Vorausschauende Fahrweise

    Da die Rekuperation etwa 75% der beim Beschleunigen investierten Energie zurück in den Akku holt, ist eine besonders vorausschauende Fahrweise – wie bei einem Verbrenner, der mit dieser Energie die Bremsen erhitzt - mit einem Elektroauto gar nicht nötig. Nur sollte man so vorausschauend fahren, dass man die Bremsen nicht benutzen muss, damit die Energie durch Rekuperation zurückgewonnen werden kann.

    Schaden kann eine gleichmäßige Reisegeschwindigkeit natürlich nicht. Am gleichmäßigsten und entspanntesten fährt es sich übrigens mit dem Autopiloten und der dazugehörigen optimalen Geschwindigkeit.

    Aerodynamik von Elektroautos

    Elektroautos sind windschnittig. Sie bieten durch ihre Form dem Wind nur einen sehr geringen Widerstand. Fährt man mit offenem Fenster oder Schiebedach, entstehen Verwirbelungen, die den Windwiderstand und so den Energieverbrauch erhöhen. Bis hierhin ist der Urban-Legend-Tipp korrekt.

    Nur fährt ohnehin niemand auf der Autobahn mit 130 km/h oder mehr bei offenem Fenster. Und führe man langsamer, würde sich die Reichweite aufgrund der geringeren Geschwindigkeit deutlich erhöhen. In der Stadt hingehen kann man ruhig die Fenster offen lassen. Die Geschwindigkeiten sind hier so gering, dass die Aerodynamik keine große Rolle spielt. Und man fährt ohnehin so kurze Strecken, dass die Reichweite unerheblich ist.

    Reifendruck und Beladung

    Derartige Tipps kann man getrost vergessen. Sicherlich senken richtiger Reifendruck und weniger Gewicht den Verbrauch. Aber in einem so geringen Maße, dass man sich darum keine Gedanken machen muss. Bei zu geringem Reifendruck warnt das Reifendruckkontrollsystem. Und auf der Fahrt in den Urlaub wird der Platz im Kofferraum ohnehin für das Gepäck benötigt, das man wohl kaum für ein paar Kilometer mehr zuhause lassen wird.

    Was erhöht die Reichweite eines Elektrofahrzeugs - Unser Fazit

    Nach dem Losfahren mit 100% Akku kommt ein normales Elektroauto auf der Autobahn etwa 300 km weit, bevor es aufgeladen werden muss. Ab der zweiten Etappe für die man den Akku meist auf nur 80% lädt, sind es dann etwa 250 km. Entsprechend der Tankreserve beim Verbrenner, sollte man sich ab der Batterie-Reserve von 20% mit einer Restreichweite von 50 km Gedanken über die nächste Ladestation machen. Entlang der Autobahnen in Westeuropa gibt es inzwischen etwa alle 20 km eine Schnellladestation, so dass man wie bei Tankstellen einfach die nächste Station nehmen kann.

    Oft gegebene Tipps wie keine Heizung oder Klimaanlage einschalten oder keine Musik hören, führen nicht dazu dass man weiter kommt, sondern nur dazu, dass man mit etwas mehr Restreichweite an der selben Ladestation ankommt, aber deutlich weniger Komfort bei der Fahrt hatte. Der wesentliche und aufgrund der Gewichtung einzige Reichweitenkiller ist die Geschwindigkeit: Fährt man 50% schneller (z.B. 150 km/h → 220 km/h) steigt der Verbrauch auf mehr als das Doppelte. Die Reichweite halbiert sich.

    Innerorts spielen alle diese Einflüsse keine Rolle, denn die Geschwindigkeit als größter Faktor ist hier sehr niedrig. Die Reichweite liegt in der Stadt bei 400 km bis 600 km, während die tägliche Strecke meist unter 30 km liegt. Gleichzeitig ist das Angebot an Lademöglichkeiten in der Stadt am höchsten.

    Ein großer Fehler ist es, die Rekuperation abzuschalten, denn das reduziert die Reichweite innerorts und auf der Autobahn erheblich.